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TROMMELWIRBEL FÜR Anika Nilles

Die Wahl-Mannheimerin Anika Nilles ist eine der bekanntesten Schlagzeugerinnen weltweit – mehr als 200.000 Fans folgen ihrem YouTube-Kanal. Die Ausnahme-Drummerin nutzt intensiv die Sozialen Medien und produziert in ihrem Mannheimer Studio Musikvideos, die viral gehen und sogar Gitarren-Legende Jeff Beck begeistert haben. Mit ihm ist sie gerade auf großer Europatournee, doch vorher konnten wir sie noch in der Popakademie zum Interview treffen. Seit dem Wintersemester 2021 leitet sie hier das Drum-Department – und ist in Mannheim wirklich angekommen.

Anika, was hat Dich als gebürtige Aschaffenburgerin dazu bewegt, nach Mannheim zu ziehen?

Die Antwort ist simpel: Ganz klar die „Poppe“, wie wir die Popakademie als Studis immer genannt haben. Für mich stand irgendwann fest, dass ich meine Leidenschaft für das Schlagzeug zum Beruf machen wollte und dies nur über die Popakademie funktionieren würde. An allen anderen Hochschulen wurde Perkussion immer nur im Jazz-Kontext unterrichtet und da fehlte mir damals völlig der Zugang.

War es denn schon immer Dein Plan, Profi-Schlagzeugerin zu werden?

Ehrlich gesagt ja, aber dagegen gab es in meiner Familie massive Widerstände, obwohl mir das Trommeln in die Wiege gelegt worden ist. Schon mein Vater war Drummer in einer Band, mein Onkel ebenfalls und auch mein Cousin. Am Schlagzeug bin ich Autodidaktin und habe sehr viel geübt, aber Musik war für meinen Vater immer nur Hobby und höchstens mal ein Job neben dem soliden Hauptberuf. Er kannte viele Berufsmusiker, die finanziell schwer kämpfen mussten und deshalb hat er sich für mich ein anderes Berufsleben vorgestellt. Den Freischein zum Musikstudium gab es erst, als ich eine Ausbildung abgeschlossen und mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt hatte.

„Für mich ist es faszinierend, wie sehr sich im Jungbusch alles zum Positiven entwickelt hat. Mittlerweile ist der Stadtteil ein Hotspot für Musik- und Kreativwirtschaft und ein pulsierender Ort, an dem verschiedenste Kulturen einander friedlich begegnen.“

Anika Nilles

 

Als Du nach Mannheim gekommen bist: Was war damals Dein erster Eindruck?

In den ersten Wochen war ich zwiegespalten. Einerseits war ich begeistert vom Studium und dem inspirierenden Vibe an der Popakademie, andererseits fand ich – aus behüteten Verhältnissen stammend – das Hafenviertel Jungbusch ziemlich spooky. Vor 12 Jahren galt der Jungbusch ja noch als Problemviertel und das nicht ganz zu Unrecht. Für mich ist es heute aber faszinierend, wie sehr sich seitdem alles zum Positiven entwickelt hat. Mittlerweile ist der Stadtteil ein Hotspot für Musik- und Kreativwirtschaft und ein pulsierender Ort, an dem verschiedenste Kulturen einander friedlich begegnen.

Das Bachelor-Studium an der Popakademie dauert drei Jahre. Wie ging es nach Deinem Abschluss weiter?

Schön wär’s, hätte ich den Abschluss so schnell in der Tasche gehabt (lacht). Tatsächlich dauert ein Bachelor-Abschluss an der Popakademie aber nur in seltenen Fällen genau drei Jahre. Durch die hochprofessionelle Umgebung und die Konzentration auf die Kunst nimmt die eigene Musikkarriere oft schon während des Studiums richtig Fahrt auf. Ab diesem Zeitpunkt muss ständig abgewogen werden, was wirklich Priorität hat. Mache ich einen Schein wie geplant, oder gehe ich lieber als Support-Act mit auf eine Stadiontournee? Beides ist extrem wichtig und deshalb sind die Lehrkräfte hier sehr bemüht, für alle Studierenden immer gute Kompromisse zu finden. Ich selbst halte wohl den Rekord als Langzeitstudentin und habe den Abschluss erst nach neun Jahren gehabt. Das ist wohl einsame Spitze und ginge heute nicht mehr so durch. Und trotzdem unterrichte ich jetzt hier!

„Mannheim strahlt eine mitreißende Energie des Wandels aus. Hier gibt es keinen Stillstand, alles ist in Bewegung und das treibt einen an.“

Anika Nilles

 

Und wann hast Du Dich so richtig als Mannheimerin gefühlt?

Ich würde sagen, das war ziemlich genau ab dem Tag, als ich nach Darmstadt umgezogen bin! Das klingt jetzt vielleicht absurd, aber genau so war es. In den ersten Jahren bestand Mannheim für mich ja nur aus den Leuten, die ich hier kannte und den Möglichkeiten, die sich mir hier eröffnet haben. Ich wollte mit coolen Leuten Musik machen und das war hier bestens möglich. Mannheim und alles außenherum habe ich anfangs also nur verschwommen wahrgenommen. Irgendwann dachte ich dann, es würde mir gut tun, auch mal rauszukommen und umzuziehen – aber das war ein Fehler. Schon vom ersten Tag an hat sich die Entscheidung falsch angefühlt. Mir fehlte plötzlich das kreative Spannungsumfeld, meine Freunde, die Musikerkolleginnen und Kollegen. Ich habe mich schrecklich gelangweilt und fand keine neue Inspiration mehr. Da habe ich gemerkt, dass ich zwischenzeitlich zu einer echten Mannheimerin geworden bin, ohne es zu bemerken. Es hat dann nicht mehr lange gedauert, bis ich wieder zurückgezogen bin.

Hat sich durch die bewusste Entscheidung für Mannheim etwas verändert?

Ich würde sagen ja. Ich verstehe jetzt besser, was mich hier hält. Teilweise ist es der raue Charme von Gegenden, wie der Friesenheimer Insel, wo sich heute mein Studio befindet, der mich inspiriert. Gleichzeitig strahlt Mannheim aber auch eine mitreißende Energie des Wandels aus. Hier gibt es keinen Stillstand, alles ist in Bewegung und das treibt einen an. Seit der bewussten Entscheidung, dauerhaft hier meinen Lebensmittelpunkt zu haben, setze ich mich auch anders mit Mannheim auseinander. Heute bin ich im ganzen Stadtgebiet zuhause und pendle nicht bloß zwischen Wohnung, Studio und Popakademie hin und her. Es ist noch nicht lange her, dass ich zum ersten Mal auf dem Lindenhof am malerischen Rheinufer spazieren war. Ständig entdecke ich neue, schöne und spannende Facetten der Stadt.

 

Welchem Musikstil würdest Du die UNESCO City of Music Mannheim zuordnen, wenn die Stadt ein Lied wäre?

Für mich ist Mannheim eine Mischung aus World Music und Fusion mit extrem modernen Einflüssen. Man hört den Hip-Hop heraus, aber auch den Jazz. Mannheim ist genreübergreifend, eher eine wohlsortierte Plattensammlung als ein einzelner Song. Ja, so klingt Mannheim und das ist es, was mich an dieser Stadt inspiriert.

Interview: Andreas Stanita / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel

Foto auf der Startseite des Beitrags: Vincent Priebe