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Alex Doss. Foto: Sebastian Weindel

DER MANNHEIM-BEWEGER: VIDEOKÜNSTLER UND SHOW-DESIGNER ALEX DOSS

Las Vegas, Los Angeles, Peking – und immer wieder Mannheim. Alex Doss hat als Videokünstler und Showdesigner mit den größten Marken der Welt gearbeitet. Doch jetzt ist er nach Mannheim zurückgekommen und angekommen: Im Jungbusch will er die Kultkneipe Contra‘N zu einem inspirierenden Treffpunkt für Menschen mit großen Ideen und Visionen verwandeln.

Alex, bevor wir darüber sprechen, warum du nach Mannheim zurückgekehrt bist und das Contra`N übernommen hast: Was sind Deine Stationen? Wie hat alles angefangen?

In den 80er und 90er Jahren habe ich Schlagzeug gespielt bei den Bands Pussy und später Dead Anyway. Das waren Crossover-Bands irgendwo zwischen Glam, Metal und Punk. Irgendwie musste ja Haarspray und Proberaum-Miete aufgetrieben werden, deshalb habe ich für den Mannheimer Veranstalter Matthias Hoffmann Bühnenbau gemacht. Dabei traf ich auch eines Tages Metallica, die damals noch kaum bekannt waren. Wir haben zusammen Bier getrunken und uns gegenseitig Autogramme gegeben, schliesslich wusste man noch nicht, wer zuerst berühmt werden würde, haha!… Das war sehr lustig und eine Initialzündung für mich – und ich war plötzlich in der Bühnentechnik-Welt angekommen.

Bühnen- und Showdesign war zunächst Dein Fokus?

Ja, und ich begann, mich intensiv mit den Themen Video, Licht und Projektionen zu beschäftigen und Events zu gestalten. Diesen Kreativprozess fand ich extrem spannend. Mein Kumpel MP Nuts war als DJ aktiv und für seine Club-Gigs habe ich Visuals gemacht und auf Ölfässern getrommelt. Schnell kamen Aufträge dazu, unter anderem für das Ballett des Mannheimer Nationaltheaters unter Philipp Talard. Damals war das Thema Video im Theater noch relativ neu, aber Choreograph Luches Huddleston war schon damals ein Wegbereiter beim NTM. Dann folgten Ausstellungen wie beim Heidelberger Kunstverein oder bei der Langen Nacht der Museen im Mannheimer Schloss, wo wir eine große Rauminstallation realisiert haben. In einem Raum haben wir unter anderem ein Video mit meinem Großvater gezeigt. Ich hatte ihn interviewt, wie es war, als Mannheim im 2. Weltkrieg zerbombt wurde – und was der Verlust von Kulturwerten für die Menschen bedeutet hat. Das war intim, aber auch informativ und hat daran erinnert, dass mit dem Thema Krieg heutzutage viel zu leichtfertig umgegangen wird.

Wie kam es, dass du nach Las Vegas umgezogen bist?

Bevor ich nach Las Vegas umgezogen bin, habe ich für Marken wie Nike oder Adidas Showdesign gemacht. Mein Ding war der Einsatz neuer Technologien. Ich habe mich mit neuen Werkzeugen befasst und Prototypen mitentwickelt im Bereich Projektion, Holografien, bewegliche Projektoren und so. Weil ich unkonventionell gearbeitet habe, hat mich eines Tages eine Produzentin aus Las Vegas angerufen. Sie wollte wissen, ob ich mit ihr die Show der Zukunft bauen kann. Das war eine Herausforderung nach meinem Geschmack – und so kam ich nach Amerika.

Welche Projekte hast du in den USA realisiert?

Ich habe Events und Räume entwickelt, die sowohl aus Architektur als auch aus Licht, Bewegung und Ton entstehen Es ging um ganze Theater und um Clubs – bis hin zu gastronomischen Konzepten. Der Ex-Club von Prince in Las Vegas wurde zu einem Lichtpalast für die Latino Community, ein Produkt-Launch in Hugh Hefners Playboy Mansion in Beverly Hills wurde mit interaktiven Projektionen versehen, oder ich habe für Guns‘n‘Roses-Drummer Matt Sorum Bühnendesign gemacht. Da ist so viel passiert und es wurde so viel entwickelt, dass ich sagen kann: Diese Zeit war prägend und spannend. Ich konnte viel ausprobieren, es war ein toller Spielplatz. Doch dann kam der Finanzcrash und plötzlich war klar, dass auch die USA limitiert sind in ihren Möglichkeiten und Perspektiven. Deshalb ist mir der Wechsel nach Asien leicht gefallen.

Warum bist Du 2011 nach China gewechselt?

Durch meine Freundschaft mit Brian Burke und den Leuten von Cirque du Soleil und Franco Dragone kam es zu einigen fantastischen gemeinsamen Projekten. X-Factor, America’s Got Talent aber auch Broadway Shows sind so in den Jahren entstanden. Unsere Gruppe wurde eines Tages angefragt, in China einen Park neu zu gestalten. So kam es, dass ich 2011 in der chinesischen Megastadt Xi’an den Lotus Flower Garden mitdesignen durfte. Das war schon ambitioniert – aber alles ist ambitioniert in China!

Was macht die Kreativarbeit in China so besonders?

Dort habe ich zum ersten Mal Leute getroffen, die keine Angst hatten vor dem „Noch-Nie-Dagewesenen“ in größten Dimensionen. In China probiert man neue Ideen gerne einfach mal aus. Das hat gutgetan, weil das in Deutschland als auch in Amerika selten ist. Also habe ich mich Hals über Kopf verliebt in dieses Land und seine Dynamik, die chinesische Kultur, ihre Ästhetik und Lebenswelt.

Was waren deine spannendsten Projekte in China?

Mit dem Unternehmen Dreamlighting konnte ich als Creative Director und Producer Projekte wie „Valley of the Emperors“: Ein riesiges, kinetisches Theater in der Form einer gigantischen Kugel, um die Story des ersten Kaisers von China darzustellen. Dafür haben sich die Größen der Unterhaltungsindustrie und der Technologie zusammengefunden. Oscar-Gewinner Tim Yip war für Kostüme und Produktionsdesign verantwortlich. Das neuseeländische Unternehmen Wētā Workshop, bekannt von „Herr der Ringe“, war mitverantwortlich für das Storyboarding und die Animatronics. Magic Leap war dabei – die erste Firma, die Virtual Augmented Reality Technologie entwickelt hat, ebenso Tait Towers, die die Technik für die Rolling Stones gemacht haben, oder Jeremy Thomas, Produzent von „Der letzte Kaiser“. Es waren unglaubliche Größen, mit denen ich arbeiten durfte. Ein toller Lernprozess und es hat Spaß gemacht, sich kreativ vertrauen zu können. „Valley of the Emperors“ wurde zum größten und ambitioniertesten Kultur-Projekt, das bis dahin in China produziert wurde und sicher auch das teuerste. Dieses Projekt zu designen und zu leiten war eine Riesenehre und eine unglaubliche Reise.

Wie kamen Deutschland und speziell Mannheim wieder in Deinen Fokus?

Ich hatte Deutschland damals verlassen, weil sich hier nicht viel bewegt hat. Im Ausland habe ich gelernt, wie es ist, frei arbeiten zu können. Die Art und Weise wie man in Deutschland Top-Ergebnisse erwartet, aber gleichzeitig limitierende Budgetrahmen steckt – das ist oft frustrierend. Die Rückkehr nach Deutschland war dann eine sprunghafte Entscheidung. Ein Grund war, dass sich Amerika schon nach der ersten Amtszeit Donald Trumps verändert hatte und ich plötzlich fremd und unwohl fühlte. Der wichtigere Grund war aber, dass meine Familie zwischen Mannheim und Heidelberg wohnt und ich hier viele gute Freunde habe, also immer noch ein enger Bezug zur Region da ist. An Weihnachten 2022 bin ich dann wieder nach Deutschland zurückgekehrt – und direkt nach Mannheim gezogen.

„Nach einem Besuch im Jungbusch war ich total begeistert von Mannheim und habe sofort ein riesiges Potenzial gesehen, hier etwas Neues zu bewegen. Mein Eindruck ist, dass Mannheim sich in den letzten Jahren sehr positiv verändert hat.“

Alex Doss

Warum ist Mannheim jetzt Dein „Place to be“?

Nach einem Besuch im Jungbusch war ich total begeistert von Mannheim und habe sofort ein riesiges Potenzial gesehen, hier etwas Neues zu bewegen. Mein Eindruck ist, dass Mannheim sich in den letzten Jahren sehr positiv verändert hat. Ich bin in Mannheim aufgewachsen und kannte die Stadt ja auch aus den frühen 90er Jahren, als es noch Clubs wie das „Milk!“ gab, wo elektronische Musik ein großes Thema war und wo die Szene von einer Punk- und Underground-Haltung geprägt war. Mannheim hatte ich also gut in Erinnerung und das Contra`N war der Ort im Jungbusch, um diese Kultur in vollen Zügen leben zu können.

Bevor wir zum Contra`N kommen. Warum bist Du in den Jungbusch gezogen?

Ich kam aus einer Welt, wo es normal war, Ideen nicht lange zu hinterfragen, sondern sie direkt umzusetzen. Und dafür schien mir der Jungbusch in Mannheim der ideale Stadtteil zu sein. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren am meisten verändert. Ich bin in die Kauffmannmühle eingezogen und dachte, das wird so eine Art Hotelzimmer für ein paar Monate, bis ich wieder in die Welt hinausziehe. Aber jetzt bin ich immer noch da – und freue mich auf neue Projekte.

2024 hat du in Kooperation mit FutuRaum Mannheim bereits ein Projekt in der Breiten Straße realisiert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Mir gefällt der FutuRaum-Ansatz, Mannheim in die Zukunft zu entwickeln. Ich wurde von Peter Drakul, dem Beauftragten des Oberbürgermeisters für die Innenstadt, an Bord geholt – wohl weil ich viel Erfahrung und andere Herangehensweisen habe. Beim Projekt Breite Straße war es meine Idee zu zeigen, wie man urbane Räume neu inszenieren kann. Es ist ja nicht so, dass Projektionen an Häuserwände etwas Neues sind. Aber ich glaube, dass die Inhalte, die wir gezeigt haben, einen besonderen Nutzen geschaffen haben. Es war eine spannende Zusammenarbeit mit Sofia Disson, die in Mannheim die philosophische Werkstatt betreibt und Eric Carstensen von der Galerie Strümpfe. Die Mannheimerinnen und Mannheimer haben die Straße anders wahrgenommen und haben sich auf die Projektionen eingelassen. Es war auch ein Projekt zu einer besonderen Zeit, weil kurz zuvor ein Amoklauf in der Innenstadt stattfand. Unser Ansatz war es neue Perspektiven zu zeigen und eben nicht immer zu verfallen in gewohnte Narrative. Und überhaupt sind Transformationen mein Ding: etwas Bestehendes zu etwas Neuem umzugestalten.

Warum hast Du das Contra‘N übernommen?

Seit 1989 liebe ich diesen Laden. Zu sehen, dass er immer noch voller Ideen und Lebensgeist steckt und ein diverses und cooles Publikum anzieht, hat mich umgehauen. Keine Bar in Mannheim bietet so viel Raum für Ideen, Aktivismus, Lebensfreude und Punkrock. Das nach dem Ausscheiden von Contra-Gründer Beo in die nächsten 35 Jahre zu führen, ist ein Plan der mich inspiriert. Aber es ist auch eine Notwendigkeit für den Jungbusch, für Mannheim und das gesamte Universum. Die Szene, die sich schon in den 80er Jahren dort bewegt hat, ist eine sehr wichtige und liebenswerte Szene. Ich finde, diesen Reflektionsraum muss man erhalten und fördern. Und was auch noch eine Rolle gespielt hat: Ich habe den Namen meiner damaligen Band Dead Anyway hier auf einem Plakat zur Ankündigung der 50-Jahrfeier des Contra’N im Jahr 2039 entdeckt. Das war für mich ein Zeichen, hier einzusteigen.

Wie wird sich das Contra ‚N der Zukunft anfühlen?

Zum Einen fühlt man sich da sicher und zum anderen passieren hier besondere Dinge. Das ist, wie wenn Du deiner Band in einen geilen Proberaum gehst und weißt, du bist hier safe und kannst Deine Gefühle rauslassen, dann schreibst Du geile Songs. Mein primärer Anspruch ist es aber nicht, einfach eine Bar zu betreiben. Mein eigentlicher Antrieb ist es, diese Institution zu erhalten und um neue Aspekte zu bereichern. Als eine Begegnungsstätte, eine Art Hub, an dem man etwas bewegen kann.

Was wird bleiben, was wird neu sein?

Bleiben wird die Atmosphäre und ein großer Teil der Originaleinrichtung. Neu sein wird im 1. Stock im ehemaligen Lager eine Art Salon, in dem sich unverbesserliche Visionäre treffen können, die Lust haben Dinge zu verändern. Und dazu wird es eine erlesene Auswahl von Tequila, Whiskys und Mezcal geben. Eine andere Idee ist der Red Room: Eine Hommage an das ehemalige Rotlichtviertel Jungbusch und das Bordell, das in den unheiligen Hallen des Contra‘N vor 1989 zur Freude des Hauses beitrug. Ein kleiner Raum für intimes Betrinken und heilloses Anbaggern, könnte man sagen. Auch die Toiletten werden sich anders anfühlen. Das Elysium wird ein Refugium. Ein ganz besonderer Ort der Stille, der Einkehr und des stilvollen Ambientes. Klassische Musik und fehlende Spiegel machen diesen Rückzugsort zu einem Zufluchtsort für die betrunkene Seele.

Wirst Du Mannheim also erhalten bleiben und nicht wieder in die Welt hinausziehen?

Ich sage mal so: Eine umtriebige Bar wie das Contra`N hat natürlich auf der ganzen Welt Verwandtschaft. Eine Idee wäre es, diese Familienmitglieder mit in das Konzept zu integrieren. Jeder Gast kennt so einen Laden irgendwo in der Welt und so lassen sich internationale Verbindungen aufbauen. Wer weiß was aus so einem Netzwerk alles entstehen kann… und ich bin immer offen für alles.

Zur Zeit laufen noch die Umbauarbeiten. Wann wird das neue Contra‘N eröffnen?

Geplant ist die Eröffnung noch im September, der genaue Termin wird dann bald auf Social Media kommuniziert. Fest steht für mich aber schon jetzt: Es wird ein legendärer Abend werden.

Interview. Ralf Laubscher / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel

Foto Breite Straße: Alex Doss

Rendering Contra‘N: Alex Doss / Oneoverchaos