EINE MANNHEIMER KAFFEE-LOVESTORY
Ganz schön was los hier im AGÁTA Café im Mafinex…
Das sah kurz nach der Eröffnung im November 2021 noch ganz anders aus. 3G, 2G und 2G+ schließlich – die Pandemie war und ist für uns wie eine unendliche Achterbahnfahrt. Man weiß nie, was als Nächstes passiert. Vor Corona ging es im IT-Gründungszentrum Mafinex ja zu wie im Taubenschlag, doch plötzlich waren alle ins Homeoffice verschwunden. Jetzt sind die meisten Startups aber wieder zurück – zum Glück!
Gestartet seid Ihr mit einer Kaffeerösterei, jetzt habt Ihr schon das zweite Café eröffnet …
Stimmt, das Café hier im Mafinex ist unser neues Baby. Die Rösterei und unser Stamm-Café befinden sich in Mannheim-Neuostheim, in der Coblitzallee. Ursprünglich wollten wir ja nur Kaffee rösten und vertreiben, doch unser Showroom hat sich fast automatisch zum Café entwickelt – das war 2016.
Ist es Zufall, dass Eure Cafés nicht zentral in der City liegen – oder pure Absicht?
Vielleicht ist das unser Erfolgsgeheimnis: Wir gehen mit AGÁTA dorthin, wo es wenig vergleichbare Angebote gibt (lacht). Nein, im Ernst: Wenn man eine feste Stammklientel hat, dann ist der Betrieb natürlich einfacher. In Neuostheim sind die Studierenden der benachbarten Dualen Hochschule schnell zu unseren Stammgästen geworden. Während der Klausurzeit fiebern wir mit ihnen mit und auch hier im Mafinex haben wir echte Freundschaften geschlossen. Mit Neuostheim verbindet mich und meinen Mann eine Menge. Unser früherer Arbeitgeber hat dort seine Zentrale. Wir waren also schon häufiger da, noch bevor wir nach Mannheim gezogen sind.
„In Mannheim haben wir uns verliebt und eine Familie gegründet. Für uns ist die Stadt ein idealer Standort, denn sie liegt quasi auf halber Strecke zwischen unseren Heimatregionen – und vereint deren positive Eigenschaften.“
Elisabetta Rossi

Und dann habt Ihr Euch bei der Arbeit kennengelernt?
Ja, Johannes und ich haben uns bei der Arbeit in Mannheim kennengelernt. Ich stamme aus der norditalienischen Region Friaul-Julisch Venetien und mein Mann kommt aus Arnsberg im Sauerland. Wir haben in Neuostheim beide viele Jahre lang für die Mannheimer NGO Starkmacher gearbeitet und Förderprogramme der EU begleitet. Das war sehr spannend, aber wir fanden es bedauerlich, dass alle Projekte nach spätestens zwei Jahren gewechselt haben. Da investiert man viel Energie und dann bricht der Kontakt ab, weil die Förderung ausläuft. Auf die Dauer war das frustrierend – also haben wir entschieden, in Mannheim etwas Eigenes aufzubauen. Durch einen Zufall haben wir dann in Neuostheim einen idealen Ort für unsere Rösterei gefunden.
Du kommst aus Italien, Johannes aus dem Sauerland – jetzt wollt Ihr in Mannheim Zukunft gestalten. Warum Mannheim?
Johannes und ich haben uns in Mannheim schon immer sehr wohl gefühlt. Hier haben wir uns verliebt und eine Familie gegründet. Für uns ist die Stadt ein idealer Standort, denn sie liegt quasi auf halber Strecke zwischen unseren Heimatregionen und sie vereint deren positive Eigenschaften.
In Mannheim gibt es eine große italienische Community. Ist das auch ein Standortvorteil?
Die italienische Community habe ich ehrlich gesagt eher gemieden. Ich wollte ja schnell Deutsch lernen, da wäre zu viel Italienisch kontraproduktiv gewesen. Hilfreich war, dass in Mannheim fast alle Englisch sprechen, das hat mir sehr geholfen. Unsere Freunde haben sogar begonnen, untereinander Englisch zu sprechen, damit ich mich nicht ausgegrenzt fühle. So warmherzig in Mannheim aufgenommen zu werden – das war eine tolle Erfahrung.
Wie kommt man von der Entwicklungshilfe bei einer NGO zum Kaffeerösten?
Das hängt eng miteinander zusammen. Für die große Mehrheit der Kaffeebauern in Südamerika ist das Geschäft nicht rentabel. Das hat viel damit zu tun, wie der globale Kaffeemarkt funktioniert. Einige wenige globale Akteure machen den Großteil des Geschäftes unter sich aus und diktieren den Plantagenbesitzern die Preise. Die Konzerne legen wenig Wert auf Qualität, ihnen kommt es nur auf den Einkaufspreis an. In Ergebnis ist der europäische Markt voll von minderwertigem Kaffee, der dunkel geröstet wird, um seine Defizite zu kaschieren und gleichzeitig herrscht in den Herkunftsländern viel Armut.

„Mannheim ist eine Stadt, in der Leute aus der ganzen Welt zusammenkommen – das soll sich auch in unseres Cafés widerspiegeln“
Elisabetta Rossi
Was können wir als Konsumenten dagegen tun?
Ganz einfach: Finger weg vom billigen Kaffee der Großanbieter. Fair Trade-Siegel helfen bei der Orientierung. Je weniger Zwischenhändler involviert sind, desto fairer ist auch die Bezahlung im Herkunftsland. Nach Möglichkeit besuche ich unserer Lieferanten selbst und handle mit ihnen die Preise direkt aus. Anschließend suche ich mir einen Logistikpartner, der mir die Ware sicher nach Mannheim bringt. Wir unterstützen vor Ort verschiedene Projekte. Wenn Kaffeebauern Grundkenntnisse in Englisch und Marketing beherrschen, dann agieren sie oft schon viel selbstbestimmter. Ein weiterer Ansatz ist es, die landwirtschaftlichen Kooperativen mit westlichen Trommelröstern und Siebträgermaschinen auszustatten. So lernen die Bauern die Qualität ihres Produkts besser einzuschätzen und können höhere Preise erzielen.
Wie hast Du das Kaffeerösten erlernt?
Ich habe Barista-Kurse beim Kaffeeexperten Andrej Godina in Florenz belegt. Die Stadt ist für mich das Zentrum neuer italienischer Kaffeekultur. Das vielleicht bekannteste Café der Stadt ist „Ditta Artigianale“. Wenn du das Ladengeschäft betrittst, dann spürst du direkt diese Begeisterung für Kaffeegenuss und der Funke springt sofort über. Obwohl meine Heimat einen guten Ruf als Kaffee-Land hat, finde ich die Qualität dort aber oft unterdurchschnittlich. Die Florentiner Jungs sind da ein Leuchtturm der Gegenbewegung. Von ihnen habe ich viel gelernt. Zum Glück sind moderne Röstanlagen außerdem vergleichsweise leicht zu bedienen und auch unser Verband, die „Speciality Coffee Association“ unterstützt uns in unserem Bestreben die Röstqualität stetig zu steigern.
Wie sieht die AGÁTA-Zukunft in Mannheim aus?
Momentan feilen wir am Sortiment. Neben Kaffee, hausgemachtem Kuchen und kleinen Gerichten bieten wir auch Kaffeezubehör, Siebträger und eine Auswahl regionaler Weine und Spirituosen an; dazu die Designmöbel-Ausstellungsstücke, auf denen man bei uns sitzt. Ansonsten soll AGÁTA ein Ort der Begegnung und der Kultur werden. Mannheim ist eine Stadt, in der Leute aus der ganzen Welt zusammenkommen – das soll sich auch in unserem Café widerspiegeln, unter anderem mit Ausstellungen und Kultur-Events. Als weiteren Schritt haben wir die Barista-Society ins Leben gerufen, ein Netzwerktreffen für professionelle und private Kaffeeliebhaber aus der gesamten Region. Sobald die Lage es zulässt, wird eine Cupping-Reihe folgen. Dort wollen wir Interessierten endlich den ganzen Facettenreichtum dieser wunderbaren Kulturpflanze Kaffee näherbringen.
Interview: Andreas Stanita / LA.MAG
Fotos: Agata
