HOMETOWNGLORY BEI ENGELHORN
„Wenn Mannheim attraktiv ist und mit jungen Marken Zukunft macht, ist das eine Win-Win Situation: Für die Stadt und für uns als Unternehmen.“
Fabian Engelhorn, CEO Engelhorn
Nico, als Community Manager des Gründungszentrums Textilerei hast Du das Popup-Format Hometownglory entwickelt. Was ist die Idee dahinter?
Nico Hoffmeister: Die Idee ist es, junge Mannheimer Lifestyle-Marken auf Popup-Flächen zu präsentieren und den Kreativen eine Plattform im Einzelhandel zu bieten. Unser Popup-Format Hometownglory ist jetzt schon im vierten Jahr und wächst dynamisch. Los ging es im Quartier Q 6 Q 7, wo wir uns schon öfters präsentieren durften – unter anderem auch begleitend zum innomake!-Festival.
2021 war Hometownglory erstmals bei Engelhorn zu Gast. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Nico Hoffmeister: In Mannheim haben wir das Glück, mit starken stationären Handelspartnern kooperieren zu können. Es war von Anfang an auch unser Wunsch, mit Engelhorn ein Projekt auf die Beine zu stellen. Da Engelhorn beispielsweise mit Von Jungfeld oder Kalaika auch schon Mannheimer Marken aus unserer Startup-Community im Sortiment führen, habe ich bei Fabian Engelhorn angefragt – und bin sofort auf großes Interesse gestoßen.
Fabian Engelhorn: Bei dieser Kooperation zeigt sich mal wieder, dass Mannheim einen unschlagbaren Vorteil bietet: Wir sind zwar eine Großstadt, aber auch eine Stadt der kurzen Wege. Nico und ich kennen uns privat schon sehr lange und begegnen uns immer wieder im Berufsleben. Beide haben wir in Mannheim unsere Berufung gefunden und pflegen hier unsere Netzwerke – die uns jetzt wieder zusammengebracht haben.
Warum ist es für Engelhorn interessant, jungen Mannheimer Marken eine Plattform bieten?
Fabian Engelhorn: Mit dem Unternehmen Engelhorn sind wir seit über 130 Jahren fest in Mannheim verwurzelt. Seitdem begleiten wir die Stadt aktiv in ihrer Entwicklung und helfen mit, sie positiv zu gestalten. Wenn Mannheim attraktiv ist und mit jungen Marken Zukunft macht, ist das eine Win-Win Situation: Für die Stadt und für uns als Unternehmen. Als innovative Handelsmarke sind wir offen für vielfältige Kooperationen und Konzepte. Das Projekt Hometownglory haben wir schon länger beobachtet. Startups aus Mannheim geben wir gerne eine Chance, bei uns im Haus erste Erfahrungen im Retailgeschäft zu sammeln.
Welche Erfahrungen sind das?
Fabian Engelhorn: Ganz reale Markterfahrungen! Das ist nicht wie bei Instagram oder TikTok – bei uns gibt es ehrliches Feedback direkt vor Ort von den Kundinnen und Kunden. Das ist keine digitale Scheinwelt, sondern der „place to be“, wo sich der Erfolg entscheidet.
Bei der „Summer-Edition 2021“ wurden auf einer temporären Concept-Fläche Mode, Schmuck, Accessoires, Taschen, Düfte und Kunst präsentiert. Wie war die Resonanz?
Nico Hoffmeister: Sehr gut, denn wir konnten die Engelhorn-Kundinnen und Kunden positiv überraschen und emotional durch den regionalen Bezug sensibilisieren! Die Bandbreite reichte vom nachhaltigen Damenlabel Klaudia Karamandi über die farbenfrohen Kleidungsstücke von Belle Ikat bis hin zur nachhaltigen Streetwear der Marken The Dizin oder Phyne. Auch Modeschmuck und Accessoires von Handmade in Mannheim, wunderschöne Tücher der Marke Uma Mode sowie die veganen Luxustaschen von Melina Bucher waren vertreten. Aber auch Non-Fashion-Brands wie das erste und bisher einzige Parfumlabel aus Mannheim: Crown Divin, welches eine individuelle Duftberatung im Shop anbietet. Oder Spirito Cocktails, die fertig gemischte Cocktails vertreiben, sowie die Marke Kräutergott, die handgefertigte Kräutermischungen verkauft. Neben der bunten Vielfalt aus Mode, Accessoires und Beauty kam auch die Kunst nicht zu kurz mit Gig-Postern und Artprints der Mannheimer Siebdruckwerkstatt Antighost. Es war unser Ziel, all diese Labels und die kreative Vielfalt aus unserer Stadt für ein großes Publikum sichtbar zu machen – und es war ein Ritterschlag für die Labels, hier bei Engelhorn vertreten zu sein.
Werden es nun neue Mannheimer Marken ins Engelhorn-Sortiment schaffen?
Fabian Engelhorn: Mannheimer Labels wie Von Jungfeld, Kalaika, Phyne, Goldgarn Denim oder Liebesglück haben wir ja bereits im Programm. Verglichen mit den Weltmarken, die wir bei uns im Haus haben, waren bei Hometownglory diesmal ja auch sehr handwerkliche Ansätze dabei. Es sind also noch sehr kleine Pflänzchen – aber wir denken, dass sie teilweise sehr großes Potenzial haben. Wir schauen gerade, welche Marken schon so stabil sind, dass es auch bei größerer Nachfrage funktioniert. Aktuell ist zwar noch nicht in Sicht, ob das nächste Strenesse oder Escada aus Mannheim kommt, aber ich halte so etwas grundsätzlich für möglich. Das Mannheimer Startup Stocard hat so eine Entwicklung im IT-Bereich geschafft. Das hat anfangs auch kaum jemand für möglich gehalten. In diesem Fall war Engelhorn übrigens mit einer Seed-Finanzierung dabei – weil wir von Anfang an das Geschäftsmodell geglaubt haben.
In Mannheim schießen zurzeit junge E-Commerce-Marken wie Pilze aus dem Boden und schaffen Millionenumsätze und Arbeitsplätze. Sind Geschäftsmodelle, die ausschließlich auf das Online-Geschäft setzen, für Engelhorn dennoch eher uninteressant?
Fabian Engelhorn: Wir haben ein Portfolio von jungen Unternehmen, in die wir investieren. Es müssen aber Firmen sein, deren Geschäftsmodelle wir auch verstehen. Bei Textilmarken sind die Erfolgsaussichten sehr schwer zu beurteilen, da die Entwicklung stark von den jeweiligen Personen, die das Startup betreiben, abhängig ist. Wenn man nur auf den Vertriebsweg Amazon setzt, dann ist das schon ein Modell, das funktionieren kann. Dass man damit Marken schafft, die nachhaltig funktionieren und 100 Jahre alt werden, glaube ich allerdings nicht.
Nico Hoffmeister: Es reicht heute nicht aus, einen Onlineshop aufzumachen und zu hoffen, dass automatisch genügend Umsätze reinkommen. Für die Entwicklung junger Modemarken halte ich stationäre Präsenz weiterhin für sehr wichtig. Das Spannende ist, ob die Marken, die jetzt bei Engelhorn waren, bald auch ohne die unterstützende Hülle Hometownglory schwimmen können.
„Mannheim wird auch in Zukunft als Einkaufsstadt ein starker Magnet bleiben, der Besucherinnen und Besucher aus einem Radius von rund 100 Kilometern anzieht.“
Fabian Engelhorn, CEO Engelhorn
Wird es 2022 wieder Hometownglory bei Engelhorn geben?
Fabian Engelhorn: Momentan überlegen wir, wie wir das Projekt gemeinsam weiterentwickeln können. Es ist ein Projekt, das Frequenz braucht – und jetzt warten wir erst mal ab, welche Konsequenzen die neue Pandemielage für uns hat. Um da ganz offen zu sein: Wir haben – ebenso viele andere Handelsunternehmen in Mannheim – in diesem und im letzten Jahr sehr viel Umsatz verloren. Da wir eine sehr heterogene Unternehmensstruktur mit unterschiedlichen Gesellschaften haben, fallen wir auch komplett aus der Förderung heraus und müssen Verluste allein schultern.
Mit welcher Strategie reagiert Engelhorn auf die Corona-Situation?
Fabian Engelhorn: Unser Glück ist heute, dass wir schon 2004 das Thema E-Commerce angeschoben und zu einem wichtigen Standbein entwickelt haben. Als wir während der Lockdowns geschlossen hatten, sind die Umsatzzahlen natürlich noch dynamischer als sonst gestiegen, und heute erwirtschaften wir schon rund die Hälfte aller Umsätze digital. Das ist eine solide Basis, um die Krise zu überstehen. Dennoch ist die aktuelle Situation eine extreme Herausforderung für uns. Es ist aber nicht unsere Art, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern wir investieren weiter in die Zukunft.
Die Engelhornhäuser sind in ständiger Bewegung. Es wirkt wie ein permanenter Veränderungsprozess. Eine typische Eigenschaft der Handelsmarke Engelhorn?
Fabian Engelhorn: Wir sind tatsächlich immer in Bewegung. Nicht nur unsere Schaufenster bieten ständige Veränderung, sondern auch die Angebote, die Strukturen, die Sortimente und das Design der einzelnen Häuser gestalten wir immer wieder neu – und das aus einem ganz einfachen Grund: Wir wollen das Einkaufen zu einem echten Erlebnis machen, unter anderem mit Top-Gastronomie. Da waren wir in Deutschland sicher Pioniere, nicht zuletzt auch mit unserem Sternerestaurant Opus V.
Wie wird die Zukunft des Einkaufens aussehen – und wie wird sich Mannheim als Einkaufsstadt verändern?
Fabian Engelhorn: Engelhorn wird weiterhin für Genuss stehen, für ständigen Wandel, Überraschungen und Erlebnisse sorgen – aber auch die Sortimente werden sich verändern. Der Bereich Beauty wird immer wichtiger, weshalb wir gerade im Erdgeschoss des Haupthauses einen Bereich für Kosmetik-Produkte eröffnet haben. Ähnliches planen wir im Bereich hochwertiger Schuhmode. Ein Megatrend der Zukunft sind nachhaltige Produkte, weshalb wir Marken fördern, die in diesem Bereich sehr konsequent arbeiten, wie beispielsweise das Mannheimer Modelabel Phyne, das auch bei Hometownglory vertreten war. Mannheim wird auch in Zukunft als Einkaufsstadt ein starker Magnet bleiben, der Besucher*innen aus einem Radius von rund 100 Kilometern anzieht. Dafür brauchen wir in Zukunft auch moderne Mobilitätskonzepte, das müssen wir über nachhaltige Innovationen lösen. Dazu gehören Investitionen unter anderem in den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs.
Mannheim hat sich mit der Agenda 2030 zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verpflichtet. Wie kann dieses Ziel erreicht werden?
Fabian Engelhorn: Grundsätzlich finde ich es sehr positiv, dass die Stadt Mannheim sich hierzu verpflichtet hat und mit gutem Beispiel vorangeht. Da liegt sicher noch viel Arbeit vor ihr! Für uns als Familienunternehmen ist nachhaltiges Wirtschaften sogar entscheidend, um zukunftsfähig zu bleiben. Wir haben uns klare Ziele gesetzt und investieren beispielsweise regelmäßig in Maßnahmen, die die CO2-Emissionen senken und sind auf unserem Weg zur Klimaneutralität schon sehr gut vorangekommen. Wir unterstützen gerne die Stadt in ihren Bestrebungen, nachhaltig im Sinne der UN zu werden und gleichzeitig auch in Zukunft attraktiver Anziehungspunkt für die Menschen in der Metropolregion zu bleiben, denn das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit. Ein Thema ist hier sicher die Organisation des Verkehrs. Wir müssen als Stadt dafür sorgen, dass man mit der ganzen Familie bequem und zügig hierher kommt – zum Arbeiten, zum Einkaufen, zum Genuss, zur Freizeit. Um dies emissionsfrei machen zu können, ist es wichtig, auf eine kluge und gute Mischung von Verkehrsmitteln zu setzen.
Die Folgen der Corona-Pandemie könnten zu temporären Leerständen in der Innenstadt führen. Gleichzeitig suchen viele junge Unternehmen dringend Flächen, um ihre Angebote zu präsentieren. Bietet das Projekt Hometownglory die Chance, solche Lücken zu füllen?
Nico Hoffmeister: Die Folgen der Pandemie könnten auch ihre Spuren bei Gewerbeimmobilien hinterlassen, was wir uns, sowie den betroffenen Inhaberinnen aber definitiv nicht wünschen. Vielmehr erhoffe ich mir ein generelles Umdenken in der Immobilienbranche, wenn es um die kurz- bis mittelfristige Bespielung von Leerstandsflächen geht. Das versuchen wir bereits über die Plattform startraum-mannheim.de zu forcieren. Hier sollte seitens der Immobilienbesitzer mehr Mut und Offenheit gezeigt werden, der bestehenden, regionalen Kultur- und Kreativwirtschaft attraktive Spielräume zu bieten, auch wenn es nur um kurze Zeiträume geht. Von daher: Ja – wir können attraktive Angebote schaffen und kurzfristig Lücken füllen.
Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG
Fotos: Daniel Lukac