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FUTURE MUSIC CAMP 2022

Jedes Jahr pilgert die deutsche Musikindustrie nach Mannheim, wenn die Popakademie zum Future Music Camp einlädt. Hier erklärt Projektleiter David Stammer, was bei der diesjährigen Konferenz los war, wie Innovationen die Zukunft der Musikwirtschaft verändern – und warum ein guter Song heute nicht mehr ausreicht, um reich und berühmt zu werden.

David, als Projektmanager für digitale Innovation an der Popakademie hast Du im Mai gerade zum zweiten Mal das Future Music Camp organisiert. Wie ist es gelaufen?

Das erste hybride Future Music Camp ist super gelaufen. Neben dem Besuch vor Ort konnte man sich über Live-Chat und Zoom Sessions an den Vorträgen und Diskussionen beteiligen. Technisch hat das gut funktioniert und auch für das Programm haben wir tolles Feedback bekommen. Besonders schön war das Get-Together und der persönliche Austausch vor der Popakademie und der Jungbuschhalle – nach fast zwei Jahren Pandemie.

Was ist das Ziel des Future Music Camp und wer sind die Camper?

Das Camp beschäftigt sich mit der Zukunft der Musikwirtschaft. Wir bieten eine Plattform für den Wissensaustausch zwischen Studierenden und Alumni der Popakademie, Studierenden anderer Hochschulen, Musikschaffenden und Unternehmen. Ursprünglich sind wir als erstes Barcamp der Musikindustrie gestartet, heute sind wir ein modernes zweiteiliges Konferenzformat für Führungs- und Nachwuchskräfte aus dem gesamten Bereich der Creative Industries. Die Camp-Gäste kommen aus ganz Deutschland, viele aus Berlin und Hamburg, wo traditionell viel Musikindustrie zu Hause ist, und einige aus dem europäischen Ausland. Aber wir haben natürlich auch sehr viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Mannheim.

„In Mannheim hat mir von Anfang an das Zusammenspiel des Studiums mit einem großen Netzwerk von Leuten gefallen, mit denen man hier kreativ arbeiten kann.“

David Stammer

Bevor wir über die Zukunft des Musikgeschäfts reden – was ist Dein persönlicher Background?

Ich bin 2011 nach Mannheim gekommen, um an der Uni Mannheim Medien- und Kommunikationswirtschaft und dann an der Popakademie Music & Creative Industries zu studieren. In Mannheim hat mir von Anfang an das Zusammenspiel des Studiums mit einem großen Netzwerk von Leuten gefallen, mit denen man hier kreativ arbeiten kann. Ich bin selbst als DJ und Musiker aktiv, habe Festivalkooperationen, Club-Events und digitale Marketing-Kampagnen beim SWR organisiert. An der Popakademie unterrichte ich heute im Bereich digitale Innovation im Bachelorstudiengang Musikbusiness und organisiere und kuratiere das Future Music Camp.

Im Fokus stand in diesem Jahr der Begriff der „Artist Economy“? Was steckt hinter diesem Begriff?

Der Begriff „Artist Economy“ ist aus der „Creative Economy“ entlehnt, die die gesamte Gruppe der Kreativen umfasst, die mit ihrer Reichweite im Umfeld der Musik ihr Geld verdienen: Influencer, Blogger und Journalisten, Fotografen, Grafiker und so weiter. Wir haben beim diesjährigen Camp die Frage gestellt, ob Musikerinnen und Musiker diese Modelle für sich als Chance nutzen können, um durch ihre Reichweite unabhängiger von den klassischen Modellen der Musikindustrie zu werden – und dabei auch die negativen Folgen dieser Entwicklung diskutiert. Wie haben über die neuesten Entwicklungen rund um das Web 3.0 gesprochen und die Zukunft der digitalen Musikbranche aus verschiedenen Perspektiven diskutiert: Artists, Labels, Managements und Forschung.

Machen diese Entwicklungen Musikschaffende unabhängiger? Wer Musik macht, braucht in Zukunft keine Plattenfirma und kein Management mehr, sondern kann sich einfach selbst vermarkten?

Es gibt heute eine Vielzahl neuer digitaler Möglichkeiten, die man nutzen kann. Einfach wird es dadurch aber nicht unbedingt. Die vielen Optionen erzeugen ein Spannungsfeld und eine Herausforderung, denn als Artist hat man ja nur begrenzt Zeit – schließlich muss man noch kreativ sein und Musik machen.

Ein guter Song allein reicht heute also nicht aus, um erfolgreich zu werden?

Ohne einen guten Song geht natürlich überhaupt nichts. Aber heute reicht ein guter Song allein leider nicht aus, um großen Erfolg zu haben, denn es gibt extrem viele gute Veröffentlichungen. Also braucht es schon die richtige Story, die richtigen Kanäle und ein gutes Netzwerk um Musik erfolgreich zu vermarkten.

Was sind die neuen Musik-Kanäle und Vertriebswege der Zukunft?

Da gibt es eine Menge, die gerade in Entstehung sind. In unseren Vorträgen und Diskussionsrunden wurde unter anderem diskutiert, welche Möglichkeiten NFTs oder das Metaverse für Artists bieten.

Der Rapper Haftbefehl hat als einer der ersten deutschen Musiker auf der Plattform „Twelve x Twelve“ eine NFT-Kollektion vorgestellt. Wer ein digitales Echtheitszertifikat, ein sogenanntes Token erwirbt, erhält als Fan exklusive Benefits und unterstützt Künstlerinnen und Künstler direkt. Sind NTFs das nächste große Ding bei der Vermarktung von Musik?

NFTs sind ein spannendes, aber auch sehr komplexes, umstrittenes Thema. Grundsätzlich geht es darum, dass wir einen neuen Tech-Standard haben, der dezentral funktioniert und das Potential hat, den Handel mit Musik zu verändern. Eine Idee beziehungsweise das Versprechen ist, dass Künstler dadurch unabhängiger werden, ihre Musik zu produzieren und zu vertreiben. In den Keynotes von Amke Block und Josef Pötzinger (jetzt veröffentlicht auf dem YouTube Kanal der Popakademie) wurde das sehr differenziert beleuchtet. Wir versuchen mit dem Camp eine Art Realitätscheck zu bieten, was nur Hype ist und was wirklich nachhaltig funktionieren kann.

Gutes Stichwort! Ist das Thema Nachhaltigkeit in der Musik-Branche angekommen und wenn ja: Welche Rolle spielt nachhaltige Musikproduktion in der Zukunft?

Das Thema ist zweifellos angekommen. Es gibt Initiativen wie „Music declares emergency„, deren Ziel es ist, Musikern und der Musikindustrie ein Instrument zu bieten, um ihren Einfluss auf den Klimaschutz geltend zu machen. Und meine Einschätzung ist, dass sich zukünftig immer mehr Artists ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen. Wir hatten auch dazu eine Session beim Future Music Camp.

Wie hat sich die Pandemie auf die Zukunft der Musikindustrie ausgewirkt. Nur negativ oder auch positiv?

Die Musikindustrie hat während der Pandemie eine sehr schwere Zeit erlebt. Die Live-Industrie war am Boden, aber gleichzeitig haben sich viele neue digitale Formate entwickelt. Die Digitalisierung wurde stark angetrieben und es entstanden sehr viele neue Formate. Beim diesjährigen Future Music Camp haben wir deshalb gezeigt, welche spannenden neuen Formate, welche neuen Geschäftsmodelle und welche Perspektiven sich für Künstler:innen, aber auch für Labels und Managements entwickelt haben.

Wird Livemusik auch in Zukunft noch eine große Rolle spielen?

Auf jeden Fall. Alle wollen gerade zurück auf die Bühne. Alle wollen ihre Touren nachholen. Das Problem ist nur: Viele Konzertbesucher müssen sich erst wieder daran gewöhnen, Konzerte zu besuchen. Viele Leute sind verunsichert, sie strömen zur Zeit nicht einfach zu Konzerten, wie das noch vor der Pandemie der Fall war.

Welche Rolle spielt das Thema Video heute noch?

Musikvideos und Plattformen wie YouTube sind weiterhin sehr wichtig, um sich als Artist zu inszenieren. Der stärkste Treiber im visuellen Bereich ist aktuell TikTok.

Du bist Teil der Mannheimer Musikszene, die mit international erfolgreichen Acts wie Clock Clock gerade mal wieder in aller Munde ist. Was sind zur Zeit Deine persönlichen Lieblings-Acts aus Mannheim?

Meine persönlichen Lieblingsacts aus dem Hip Hop Bereich in Mannheim sind aktuell der Rapper OG Keemo und das Produzentenduo The Kii, Absolventen der Popakademie.

Als Kurator und Moderator des Future Music Camp hast Du gerade eine ziemlich intensive Arbeitsphase hinter Dir. Wie und wo entspannst Du gerne –und was sind Deine Lieblingsplätze zum Chillen und zum Musik erleben in Mannheim?

Ich mag die Outdoor Tischtennis-Crews in Mannheim, zum Beispiel am ALTER oder am Herschelplatz, da spiele ich gerne ab und zu. Musikalisch am liebsten: Alte Feuerwache & Disco Zwei.

Mehr Infos: https://www.futuremusiccamp.de

Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG

Fotos: Capadol