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SEID MUTIG –
UND LEGT LOS!

Mit dem Leitbild „Mannheim 2030“ ist das Ziel der klimaneutralen Stadt gesetzt. Die städtische Klimaschutzagentur entwickelt dafür konkrete Handlungsmöglichkeiten. Die Projektmanagerinnen Caroline Golly und Magdalena Schlenk haben den Bereich Plastikvermeidung im Fokus und erklären im Interview, wie Sie in der Stadt, in der sie leben, die Mehrwegrevolution ausgerufen haben.

Schätzungsweise 32.000 Kaffeebecher werden pro Tag in Mannheim gekauft und wieder weggeworfen. Eine Verschwendung von Ressourcen, die Euch dazu veranlasst hat, die Aktion „Bleib Deinem Becher treu“ zu starten. Bleibt Mannheim heute dem Becher treu?

Magdalena Schlenk: Heute kann man überall, wo das „Bleib deinem Becher treu“-Logo an der Tür oder im Schaufenster eines Cafés oder einer Bäckerei angebracht ist, auf Mehrweg statt Einweg setzen. Das ist hilfreich für die Kundschaft, die mit einem Blick erkennt, dass mitgebrachte Becher befüllt werden. Insgesamt würden wir natürlich gerne sagen können, wieviel Pappbecher-Müll durch unsere Initiative bislang vermieden worden ist. Aber leider lässt sich nicht mit exakten Zahlen belegen, wie häufig unsere Mehrwegbecher wiederbefüllt werden. Was uns aber extrem freut: Über 100 Mannheimer Bäckereien und Cafés haben wir schon für eine Partnerschaft gewonnen – und es werden ständig mehr!

Caroline Golly: Nachdem 2016 Freiburg mit einem eigenen Mehrwegpfandsystem für Coffee to go gestartet ist, wurden in Mannheim von Seiten der Politik, der Bürgerschaft und den Gewerbetreibenden die Stimmen für eine eigene Lösung laut. Wir wurden mit der Entwicklung eines Konzepts beauftragt – und nach vielen Becher- und Systemchecks haben wir 2018 „Bleib deinem Becher treu!“ hier ins Leben gerufen.

Magdalena Schlenk (links) und Caroline Golly. Foto: Sebastian Weindel

„Wir wollen die gesamte Mannheimer Gastronomie dafür sensibilisieren, dass es einfache Lösungen gibt, um Müll zu vermeiden. Wir sagen: Seid mutig und legt los – denn zu warten, bis es Regeln oder Vorbote gibt, macht keinen Sinn.“

Magdalena Schlenk

Wie bringt Ihr die Gastronomie zum Mitmachen?

Magdalena: Das Ziel unserer Mehrwegprojekte ist es, das Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und einen Sinneswandel zu erreichen. Wir wollen die gesamte Mannheimer Gastronomie dafür sensibilisieren, dass es einfache Lösungen gibt, um Müll zu vermeiden. Wir sagen: Seid mutig und legt los – denn zu warten, bis es Regeln oder Vorbote gibt, macht keinen Sinn.

Caroline: Heißgetränke zum Mitnehmen sind zum Symbol für die heutige Wegwerfgesellschaft geworden. Aber Einwegmüll entsteht ja nicht nur durch Coffee to go. Uns wurde sehr schnell bewusst, dass wir natürlich auch über Brotbeutel, Eisbecher oder Essensboxen reden – und dafür Lösungen anbieten müssen. So haben wir 2019 mit „Tschüss Einweg. Hallo Mehrweg. eine Headkampagne kreiert, die alle Einwegprodukte und deren nachhaltige Alternativen in den Fokus nimmt.

Magdalena: Insbesondere zum Beginn der zweiten Lockdown-Phase im Winter 2020 haben wir viele Reaktionen erhalten. Gastronominnen und Gastronomen haben uns aktiv angesprochen, aber auch Kundschaft, die die enormen Mengen an Einwegverpackungen, ob aus Plastik oder Papier, nicht mitmachen will. Zuerst haben die vegan/vegetarischen Imbisse und Restaurants auf Mehrwegboxen umgestellt – und dann nach und nach auch klassische Adressen.

In Mannheim gibt es viele hundert gastronomische Betriebe. Wie läuft da die Kommunikation?

Caroline: Wir nutzen jeden möglichen Weg. Wir schreiben per Post oder über die sozialen Medien an, wir veranstalten Infotreffen, kommunizieren über die IHK oder andere Handelsverbände und sprechen viele Gastronominnen und Gastronomen auch einfach direkt an. Wichtig ist uns, dass wir neutral sind und keine bestimmten Mehrweganbieter hervorheben. Uns spielt aber in die Hände, dass Hersteller ihrerseits aktiv auf die Gastronomie zugehen. Wir erklären dann, wie man für den Einsatz von Mehrwegboxen von uns eine Förderung erhält.

Beratung ist also Eure zentrale Aufgabe?

Magdalena: Ja, bei uns kann man sich kostenfrei informieren und wir zeigen Lösungen auf. Den letzten Schritt müssen die Interessenten dann aber selbst gehen.

Die Mannheimer Gastroszene ist sehr international mit einer Vielzahl unterschiedlicher Länderküchen – ziehen da alle an einem Strang?

Caroline: Das hat weniger mit der Nationalität, als mit der allgemeinen Lage zu tun. Denn noch immer merken wir, dass viele Gastro-Betriebe, aufgrund der Corona-Krise, gerade ganz andere Sorgen haben. Das Thema ist angekommen, ist aber nicht unbedingt die Priorität Nummer 1.

Eure aktuelle Kampagne hat den gesamten Einzelhandel im Fokus. Was ist die Idee von „Einmal ohne, bitte“?

Magdalena: „Einmal ohne, bitte“ ist eine neue Aktion, die in München entstand. Die Idee ist ganz einfach: Jeder von uns hat zu Hause leere Gläser oder Frischhalteboxen, die man zum Einkaufen mitnehmen kann – ohne Einwegverpackungen in Anspruch nehmen zu müssen. Jetzt geht es uns darum, alle zu sensibilisieren: Die Kundschaft, aber auch den Handel, der mit dem Siegel an der Tür die Bereitschaft zum Mitmachen signalisiert.

Wo steht Mannheim aktuell in Sachen Klimaschutz?

Magdalena: Bei der Mehrwegförderung sind wir bundesweit betrachtet weit vorne. Das merken wir auch daran, dass viele andere Städte – von Kiel bis Konstanz – sich bei uns über unsere Mehrwegförderung und die Kampagnenarbeit informieren..

Caroline: Ob es nun an unserer Mehrwegförderung oder an den allgemein guten Bedingungen für den Einstieg in ein Mehrwegsystem liegt: Wir freuen uns, dass seit Ende 2020 immer mehr Mannheimer Gastrobetriebe, aber auch Unternehmenskantinen Essen zum Mitnehmen in Mehrwegboxen anbieten. Diesen Weg verfolgen wir in den kommenden Monaten intensiv weiter. Neue Ideen wie die „Bürokiste für die nachhaltige Mittagspause“ oder auch Lösungen wie Pizza-Mehrwegverpackungen werden wir nun angehen.

Caroline, Du stammst aus der Pfalz. Heute arbeitest und lebst Du in Mannheim – warum?

Caroline: Ich bin in Kaiserslautern groß geworden, da ist man ganz klassisch als Kind in den Luisenpark und als Teenager zum Einkaufen nach Mannheim gekommen. Nach dem Abitur habe ich in Heidelberg studiert und Mannheim nur als Durchreisestation erlebt. Aber seit ich hier wohne, hat sich mein Bild von der Stadt komplett gewandelt. Mannheim hat so viel zu bieten und ist unglaublich vielseitig: Allein die Lage an zwei Flüssen macht die Stadt besonders – und so sind die Rheinterrassen mein absoluter Lieblingsort.

Magdalena, auch Du bist nach Mannheim gekommen, um zu bleiben. Wie war das bei Dir?

Magdalena: Als ich vor sieben Jahren von meinem Studienort Frankfurt für ein Praktikum hierher gekommen bin, hatte ich noch gar kein klares Bild von der Stadt. Jetzt fasziniert mich, dass Mannheim vordergründig nicht als schöne Stadt bekannt ist, aber sehr viele schöne Ecken hat, die man findet, wenn man längere Zeit in der Stadt lebt. An Mannheim begeistert mich die große urbane kulturelle Vielfalt und dass man immer etwas Neues entdecken kann – beispielsweise dieses riesige Angebot spannender internationaler Gastronomie.

Mehr Infos zur Klimaschutzagentur findet Ihr hier:

https://www.klima-ma.de

Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel