LERNEN VON DER NATUR – IN MANNHEIM MIT BIONIK IN DIE ZUKUNFT
Am 6. Mai laden Sie im Mannheimer John-Deere-Forum zum 6. Bionik-Kongress Baden-Württemberg ein. Was ist die Idee, was ist das Ziel?
Aufgrund meiner vielen Erfahrungen mit dem „bionischen Entwickeln“ war es mein Ansatz, eine Veranstaltung zu schaffen, die jungen Menschen vermittelt, wie man aus der Natur lernen kann, um Innovationen zu schaffen. Daraus hat sich die Idee entwickelt, einen Award zu verleihen, um erfolgreiche bionische Produkte aus Baden-Württemberg als Vorbilder sichtbarer zu machen.
Am Vorabend wird im Rahmen einer Gala-Veranstaltung erstmals der 1. Award für bio-inspirierte Innovationen Baden-Württemberg verliehen. Welche Erwartungen verknüpfen sie mit der Ausschreibung des Awards?
Von der Ausschreibung erwarte ich Antworten auf die Frage, was es aktuell auf dem Markt bionischer Entwicklungen in Baden-Württemberg gibt. Wir wollen Sichtbarkeit entstehen lassen und ich denke, das wird in allen möglichen Richtungen eine positive Stimulanz erzeugen. Zusätzlich stellen wir Netzwerkangebote zur Verfügung. Im Endeffekt geht es darum, jungen Menschen zu zeigen: Bionik ist ein erfolgversprechendes Zukunftsthema und da macht es Sinn, sich zu engagieren.

Sie sind Mitgründer des Netzwerks für bionische Entwicklungen Baden-Württemberg und die treibende Kraft hinter dem Bionik-Kongress. Was fasziniert sie an dem Thema Bionik?
Ich habe schon früh begriffen, dass in der Natur evolutionär optimierte Prozesse existieren, die man auch technisch nutzen kann. Um dieser Idee mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, habe ich mit Kollegen das Netzwerk gegründet. Daraus ist die Idee des Kongresses entstanden, um junge Menschen für Bionik zu begeistern.
Sie selbst haben bis 2021 das Institut für Biologische Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Mannheim geleitet, im Bereich der molekularen Bionik geforscht und erfolgreich bionische Patente zur Marktreife gebracht. Was hat sie dazu inspiriert?
Nach dem Abitur in Freiburg habe ich an der Technischen Hochschule Karlsruhe studiert und von dort ging es nach dem Diplom zum Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung. Nach meiner erfolgreichen Promotion bin ich 1987 an die damalige Fachhochschule Mannheim berufen worden, wo ich mich im Lauf der Zeit auf die „Umwelt“- Biotechnologie fokussiert habe. Zu dieser Zeit habe ich erkannt, dass aus der Natur abgeschaute bionische Entwicklungen für die Industrie ein wertvoller Beitrag sind.

Was ist ein gutes Beispiel für eine bionisch inspirierte Innovation?
Zur Reinigung von Metalloberflächen wurden und werden ökologisch unschöne Medien verwendet. Ich habe mich gefragt: Warum kann man nicht zum Beispiel Metalloberflächen mit Mikroorganismen entfetten, die aus heißen Quellen stammen? Diese haben wir dann in Island und auch Venezuela gefunden und so weiter kultiviert, dass sie in 80 Grad heißen Entfettungsbädern in der Industrie weiterleben, und wachsen, sich kaum vermehren, aber dort die unerwünschten Öle und Fette biologisch abbauen und Ölschlämme nicht entstehen. 1991 habe ich erste bionisch entwickelte Produkte und Verfahren patentiert bekommen, wie einen biologischen Entroster, der sehr gut am Markt angekommen ist. Metallbiologie wurde dann mein Schwerpunkt. Da geht es zum Beispiel darum, sich die Eigenschaften von Mikroorganismen zu Nutze zu machen, um Schwermetalle aus der Umwelt zu entfernen.
Welche Mannheimer Unternehmen haben bereits bionisch inspirierte Produkte entwickelt?
Das Mannheimer Unternehmen FUCHS LUBRICANTS GERMANY hat eine Reihe von Produkten im Portfolio, die aus der Natur gelernt sind. Zum Beispiel nutzt man da Mikroorganismen, um Additive für Schmierstoffe herzustellen. Seit 2017 forscht man mit Partnern aus der Chemie- und Biotechnologie an umweltverträglicheren Alternativen zu erdölbasierten Produkten. Man setzt setzt dabei auf Biopolymere, die biologisch abbaubar sind. Produziert werden sie von Bakterienarten im Rahmen ihres Energiestoffwechsels. Das Ziel ist die Integration der neuen Rohstoffe in geeignete Schmierstoffe für unterschiedliche Anwendungen – vom Traktor bis zum Windrad. Darüber hinaus ist von FUCHS LUBRICANTS GERMANY bekannt, dass Pflanzenproteine, die nicht für die Lebens- und Futtermittelproduktion geeignet sind, als Additive bei der Schmierstoffherstellung eingesetzt werden.
Ein Mannheimer Startup, das von der Natur gelernt hat, ist das Unternehmen VISION DOMES – mit geodätischen Kuppelbauten aus Holz.

Forschung im Labor des Mannheimer Technologiezentrums FUCHS LUBRICANTS GERMANY

Mit geodätischen Kuppeln von der Natur gerlernt: Die Macher des Mannheimer Start-Ups VISION DOMES
„Mannheim hat ein großes Potenzial junger Forscherinnen und Forscher, die sich mit der Biotechnologie und dem verfahrenstechnischen Umfeld dazu beschäftigen. Darüber hinaus gefällt mir in Mannheim das enorme kulturelle Angebot, das mir sehr entspricht. Ich habe Mannheim im Lauf der Jahre lieben gelernt. Mannheim finde ich einfach genial.“
Peter M. Kunz
Mannheim ist unter anderem im Bereich Medizintechnologie stark aufgestellt. Spielt auch in diesem Umfeld Bionik eine wichtige Rolle?
Mannheim ist bei der Entwicklung medizinischer Produkte tatsächlich führend – mit dem Unternehmen ROCHE vor allem im Bereich Diagnostik. Beobachtungen aus der Natur haben ein enormes Potenzial in der Anwendungstechnik.
Warum haben Sie Mannheim als Standort für den Bionik-Kongress Baden-Württemberg gewählt?
Da das Mannheimer Technoseum eine Dauerausstellung für Bionik eingerichtet hatte, habe ich angefragt, ob wir den 2. Bionik-Kongress 2015 dort veranstalten können, um die Nähe zur Technischen Hochschule Mannheim zu halten und die Intentionen zu verknüpfen, bionisches Entwickeln in die Köpfe vieler Menschen zu bringen. 2019 konnte ich – dank der guten Beziehungen zur Hochschule den Mannheimer Standort des Unternehmens JOHN DEERE gewinnen, das John-Deere-Forum kostenfrei nutzen zu dürfen. Seitdem sind wir dort mit dem Bionik-Kongress, der alle 2 Jahre stattfindet, präsent. Übrigens freue ich mich sehr, dass in diesem Jahr erstmals die Wirtschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg Frau Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut und der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht die Schirmherrschaften für den Bionik-Kongress und der Landwirtschaftsminister Peter Hauk die Schirmherrschaft für den „Award für bio-inspirierte Innovationen BW“ übernommen haben. Das baden-württembergische Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz hat den ersten Preis, nämlich die Skulptur: Aufschwung für bio-inspirierte Innovationen gestiftet.

Sie kommen ursprünglich aus Freiburg und haben lange in Karlsruhe gelebt – inzwischen sind sie Wahl-Mannheimer. Warum ist Mannheim für Sie ein idealer Ort, um zu leben und Zukunft zu machen?
Zunächst mal bot und bietet die Technische Hochschule Mannheim eine enorm gute Forschungslandschaft. Da gibt es ein großes Potenzial junger Forscherinnen und Forscher, die sich mit der Biotechnologie und dem verfahrenstechnischen Umfeld dazu beschäftigen. Darüber hinaus gefällt mir in Mannheim das enorme kulturelle Angebot, das mir sehr entspricht. Mannheim ist eine Stadt mit vielen grünen Flächen. Auch die kurzen Wege sind ideal: Ich habe mir für meinen Lebensabend eine Wohnung in der Oststadt gesucht: Hier bin ich gleich im Luisenpark – es sind nur 10 Minuten zu Fuß zum Nationaltheater oder zur Kunsthalle oder in die Innenstadt; ansonsten nehme ich das Fahrrad … Ich habe Mannheim im Lauf der Jahre lieben gelernt. Mannheim finde ich einfach genial.
Mehr Infos: https://bionik-mannheim.de
Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG
Fotos: Sebastian Weindel
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Peter M. Kunz war mehr als 40 Jahre in Forschung und Lehre – vorwiegend in Lateinamerika und rund um das Mittelmeer – tätig; zunächst entwickelte er aus innovativen Projekten heraus technisch ausgerichtete Systemlösungen, Industrie-Seminare und Vorlesungen zur Technischen Biologie und Bionik. Über 20 erteilte Patente und Gebrauchsmuster allein in der Zeit zwischen 1991 und 1996 dokumentieren seine Innovationskraft, rund 80 mehrjährige Forschungsvorhaben mit unterschiedlicher Mitarbeiterzahl sowie weit über 500 – nationale und internationale – Industrieaufträge und Gutachten unterstreichen die Nachfrage nach pfiffigen Lösungen und kompetenter Systemberatung in schwierigen Fällen.
Aufgrund seiner Methoden-Kompetenz und seinem „Gespür für Menschen“ standen in den letzten 20 Jahren zunehmend ganzheitliche Fragen und die Suche nach übergreifenden Lösungsansätzen an; insbesondere im Rahmen der Implementation kontinuierlicher Verbesserungsprozesse und deren Ablösung durch Prozess-Innovationen, die bei der strategischen Neu-Ausrichtung von Unternehmen gefragt sind und aus der Organisationsebene hin zur Technikebene und wieder zurück entwickelt wurden und werden Er ist von Hause aus (Bio)-Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler, mit humanistischem Hintergrund und sozial-integrativen, pädagogischen Fähigkeiten.
Mehr Infos: https://bionik-mannheim.de
