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MUSIK FÜR EINE NACHHALTIGE ZUKUNFT

Listentojules – das ist die Mannheimer Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin Julia „Jules“ Nagele. Mit ihrer glasklaren Stimme und einem faszinierenden Mix aus Indie-Neo-Soul, Jazz, Songwriter-Pop und engagierten Texten mischt sie gerade die Musikszene auf. Sie kämpft für eine nachhaltigere Musikindustrie und einen Systemwechsel für eine sozialere und nachhaltigere Zukunft. Seit kurzem ist Jules auch im Mannheimer Rat für Kunst und Kultur aktiv – also höchste Zeit für ein Interview.

Jules, wie fühlt es sich so an – als Bayerin in Mannheim?

Auf jeden Fall anders als in München. Als ich hier zum ersten Mal am Bahnhof ausgestiegen und durch die Quadrate gelaufen bin, war ich total überrascht: Plötzlich war da so viel mehr Diversität um mich herum, als ich es von Bayern gewöhnt war. Hier liegt das Roughe neben dem Schönen. Mannheim ist einfach viel bunter als andere Städte – das mag ich sehr.

So bunt wie die Mannheimer Papageien, die Dich zum Song „Greenbird“ inspiriert haben?

Ja, genau, denn diese bunten Halsbandsittiche, die jeden Abend in ihrem Schlafbaum am Neckarufer ein Konzert geben – die passen da ja eigentlich nicht hin, aber dann eben doch, denn sie spiegeln auch die Diversität der Stadt. Meine Inspiration war der Gedanke, dass diese Vögel mit ihren Flügeln Frieden in die Welt tragen können, davon erzählt „Greenbird“.

Du hast hier mit vielen Musiker*innen spannende Projekte gestartet. Was gefällt Dir an der Mannheimer Musikszene?

Die Mannheimer Musikszene ist etwas Besonderes. Es gibt hier auf relativ kleinem Raum eine extrem gut vernetzte Community, da ergeben sich sehr spontan und unkompliziert immer wieder schöne neue Projekte. Es ist wirklich krass, aber Du begegnest hier so vielen guten Musiker*innen einfach auf der Straße – da dauert es oft nur wenige Minuten, bis neue Ideen und Projekte entstehen.

Fotos: Alexander Münch

„Ich glaube an die Kraft der Musik, um den Wandel voranzutreiben und eine lebenswerte Zukunft für uns alle zu ermöglichen.“

LISTENTOJULES

Du hast hier an der Hochschule für Musik Jazzgesang studiert. Warum hast Du danach noch ein Studium an der Mannheimer Popakademie angehängt?

Bei der Aufnahmeprüfung an der Popakademie haben tatsächlich alle gelacht, als ich gesagt habe, dass ich auch mal die „andere“ Seite kennenlernen will. Der Grund ist aber ganz einfach: Ich hatte das Gefühl, dass Jazz und Pop viele gemeinsame Elemente und Interessen haben, aber nicht immer gibt es Verbindungen. Die Zeit an der „Poppe“ hat mir viel gebracht, unter anderem Kontakte zu großartigen Musiker*innen, mit denen ich gerade auch Songs veröffentlicht habe: Henny Herz zum Beispiel oder Kosho von den Söhnen Mannheims, der an der Popakademie unterrichtet.

Die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit ziehen sich als feine grüne Faden durch Deine Musik. Was treibt Dich an?

Mein Vater ist Mikrobiologe. Mit ihm war ich immer viel im Wald unterwegs und das hat mich und meine Liebe zur Natur geprägt. Aus der Perspektive der Musikerin muss ich heute leider feststellen, dass die Musikindustrie in Sachen Nachhaltigkeit noch einen weiten Weg vor sich hat –- und mit meinem Engagement will ich helfen, dass es hier Fortschritte gibt. Außerdem glaube ich an die Kraft der Musik, um den Wandel voranzutreiben und eine lebenswerte Zukunft für uns alle zu ermöglichen.

Wie kann das funktionieren?

Eine meiner Ideen ist es, mit Musik Bäume zu pflanzen. Mit dem Hashtag #PlantATreeSong rufe ich zur Unterstützung des „Eco Project Wane“ auf. Das Ziel sind Spenden, um in Indonesien, das den drittgrößten Regenwald der Welt beheimatet, Primärwald zu schützen und gerodete Flächen nachhaltig wieder aufzuforsten. Die ersten Bäumchen sind gerade in der Baumschule und werden bald eingepflanzt – es geht voran!

Du hast mit Deiner Musik auch den Klimanotstand ausgerufen. Hast Du das Gefühl, damit gehört werden?

Ich habe nicht mehr das Gefühl in einer „Bubble“ unterwegs zu sein. Ich sehe, dass sich immer mehr Menschen – unter anderem auch Musiker*innen – ernsthaft um Nachhaltigkeit bemühen oder durch ihr Handeln darauf aufmerksam machen. Meine letzte EP „Listen2Sessions“ erschien ausschließlich digital, begleitet von einem Posterzine, gedruckt auf zertifiziertem, nachhaltig produziertem Papier. Ich finde es cool, was die Initiative Music Declares Emergency macht und orientiere mich gerne an ihren Ideen und Praktiken, wie man Tourneen, Produktionen oder Festivals nachhaltiger gestalten kann. Wir können als Musiker*innen dafür sorgen, dass auch Veranstalter*innen grüner werden. Das beginnt mit veganem Catering oder der Frage nach grünem Strom – und hört nicht damit auf, auf der Bühne auf Plastikflaschen zu verzichten.

In Mannheim bist Du im neu gegründeten „Rat für Kunst und Kultur“ aktiv. Was ist Deine Aufgabe?

Als Sprecherin für die Sektion Musik ist es mir wichtig, die Akteur*innen der Mannheimer Musikbranche näher zusammenzubringen und die drei Säulen der Nachhaltigkeit genauer unter die Lupe zu nehmen: Wie transparent und fair ist der Umgang mit selbstständigen Solisten, wie verhält sich die lokale Wertschöpfung, aber auch wie kann die Branche Emissionen reduzieren. Das Schöne ist, dass die Sektionen jetzt regelmäßige Treffen haben, um zu sehen, was die Bedürfnisse sind. Endlich werden Einzelstimmen an einem Tisch zusammengebracht.

Welche Ziele hast Du Dir persönlich gesetzt?

Gemeinschaftlichkeit, Unvollkommenheit, Transparenz und vor allem Fairness für alle. Ich finde es sehr wichtig, dass Schlüsselpositionen vielfältiger besetzt werden mit Menschen, die sonst nicht so viel gehört werden. Nur so können wir einen systemischen Wandel für eine sozialere und nachhaltigere Zukunft herbeiführen.

Du bist auch Teil der „MusicWomen*Ba-Wü“. Um was geht es bei diesem Engagement?

Music Women* Germany ist der bundesweite Dachverband aller Musikfrauen* und weiblich-identifizierenden und nicht-binären Personen und ihrer Netzwerke in der Musikbranche in Deutschland: quer durch alle Genres und Branchen, unabhängig von Alter, Herkunft oder persönlichem Professionalisierungsgrad. Ich bin Vorständin der Gruppe „MusicWomen*Ba-Wü“, die in Mannheim gestartet ist und mittlerweile Mitglieder in ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus hat. Wir organisieren Musikveranstaltungen für Künstlerinnen, Co-Workings, Workshops, Podiumsdiskussionen, regelmäßige Treffen für alle, die mitmachen wollen. Und ich möchte darauf hinweisen, dass Männer genauso willkommen sind. Wir brauchen alle, um sich an dieser Diskussion zu beteiligen.

Warum brauchen wir eine solche Organisation?

Ganz einfach: Solange es noch Festivals mit 95% männlichen Künstlern gibt oder deutschen Rap, der die Vergewaltigungskultur normalisiert, ist das offensichtlich. Aber wenn man tiefer gräbt, glaube ich, dass wir, wenn wir einen Systemwechsel wollen, den wir für eine sozialere und nachhaltigere Zukunft brauchen, mehr Vielfalt in den Haupt- und Nebenpositionen brauchen. Wir brauchen die Leute, die bisher nicht so viel gehört wurden, um die Ansichten zu ändern.

Wo bist Du gern in Mannheim unterwegs?

Ich wohne in der Neckarstadt und dort mag ich die coolen Cafés und das urbane Leben rund um die Feuerwache mit der Live-Sommerbühne, dem „Alter“ am Neckarufer oder dem Kiosk in der Neckarstadt-West. Mannheim hat viele grüne Ecken, aber was mir so ein bisschen fehlt, ist hier die sich selbst überlassene Natur. Wenn ich mal so richtig Ruhe und Waldluft brauche, bin ich gern in der nahen Pfalz unterwegs.

Jules, Du lebst jetzt schon seit einigen Jahren in Mannheim. Kannst Du Dir vorstellen, hier zu bleiben?

Ich habe da ehrlich gesagt, noch keine Entscheidung getroffen, aber klar ist: Meine Musikprojekte und die vielen tollen Kolleg*innen halten mich hier. In dieser inspirierenden Community ergeben sich immer wieder schöne neue Ideen. Aktuelle arbeite ich jetzt aber erst mal an meinem neuen Album – und dabei wird es auch wieder gemeinsame Aktionen mit Mannheimer Musiker*innen geben.

www.listentojules.com

Fotos: Alexander Münch

Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG