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Weihua Wang war acht Jahre alt, als sie durch ein Stipendium ihres Vaters aus China in die Metropolregion Rhein-Neckar zog. Heute arbeitet sie in Mannheim als Gründerin des gemeinnützigen Social Startups myBuddy. Ihr Ziel: Menschen zusammenbringen und ein wertschätzendes Miteinander zwischen allen Kulturen zu fördern. Wie das mit Digitalisierung, Süßigkeiten aus aller Welt und Idealismus klappen kann, erklärt die 27-Jährige im Mannheim My Future-Interview.

„Wir möchten in Zeiten des Umbruchs mit modernen und spaßigen Mitmachformaten dafür sorgen, dass wir als neue Gesellschaft zusammenwachsen können und die kulturelle Vielfalt zu einer gemeinsamen Stärke entwickeln.“

Weihua Wang, Gründerin myBuddy

Weihua, myBuddy ist ein gemeinnütziges Social Startup. Was genau ist die Idee dahinter?

In der kulturellen Vielfalt schlummert nicht nur eine Menge Innovationskraft für unser Land. Das Zusammenwachsen als neue Society 5.0 der Zukunft bildet auch das Fundament zur gemeinschaftlichen Begegnung von allen Herausforderungen unserer Zeit. Durch die Kombination aus zeitgemäßen digitalen Formaten und persönlichen Begegnungen machen wir kulturelle Vielfalt für eine breite Zivilgesellschaft erlebbar.

Wann kam Dir die Idee zu myBuddy?

Ich war 2018 Jugenddelegierte im Europarat und hatte die Aufgabe, in dieser Rolle ein eigenes Projekt vor Ort durchzuführen. Eigentlich hätte so etwas wie ein Vortrag gereicht. Aber die deutschen Jugenddelegierten sind immer sehr engagiert und auch ich wollte die Möglichkeit nutzen, um etwas Sinnvolles zur Gesellschaft beizutragen. Dann habe ich mich bewusst hingesetzt und überlegt, was ich mit meinen 24 Jahren beitragen kann. Damals war das Ankommen der Geflüchteten ein großes Thema. Aber ich fand es nie nachhaltig, dass eine Handvoll Personen sich Tag und Nacht engagieren, während der größte Teil der Bevölkerung noch nie ein Wort mit einem Geflüchteten gewechselt hat. Dieses Phänomen liegt sehr stark an den starren Beteiligungsformaten, die es zu dieser Zeit gab. Deshalb wollte ich einen Ansatz entwickeln, mit dem man viele Menschen erreicht, die ganz einfach und trotzdem wirkungsvoll einen Beitrag leisten können.

Mit der offiziellen Gründung von myBuddy als gemeinnützige Organisation habt ihr Euch inzwischen aber auch inhaltlich neu aufgestellt?

Genau, wir haben uns von dem Fokus auf Geflüchtete gelöst und möchten heute alle Menschen ansprechen – egal wann, von wo und warum sie nach Deutschland gekommen sind oder schon seit Generationen hier leben. Wir möchten in Zeiten des Umbruchs mit modernen und spaßigen Mitmachformaten dafür sorgen, dass wir als neue Gesellschaft zusammenwachsen können und die kulturelle Vielfalt zu einer gemeinsamen Stärke entwickeln. Dabei sprechen wir vor allem die jüngere Zielgruppe zwischen 18-38 Jahren an, schließen aber explizit niemanden aus und freuen uns über jede Unterstützung, gemeinsam unsere Vision voranzubringen.

Gerade habt Ihr die dritte Runde des myBuddy Friendship-Programms gestartet. Was genau ist das?

Das Prinzip von myBuddy Friendship ist supersimpel. Man meldet sich innerhalb von zwei Minuten mit ein paar Kerndaten an – Alter, Wohnort und Hobbys. Basierend auf diesen Kriterien bekommt man am Ende der Anmelde-Runde einen myBuddy gematcht. Wir machen das digital und bringen somit deutschlandweit Menschen zusammen. Dabei ist die digitale Plattform immer nur Mittel zum Zweck und der Austausch der myBuddys findet vor Ort im persönlichen Austausch statt. Neben dem myBuddy Friendship Programm haben wir aber auch weitere Matching Programme geplant. Zusätzlich bieten wir mit Events, Workshops und Gutscheinen ergänzende Angebote an. Ganz neu im Portfolio ist die Social Business Sparte. Das sind nicht einfach irgendwelche Produkte, die unsere die Finanzierung sicherstellen sollen, sondern Produkte, die selbst zur Vision beitragen.

Die Anmeldung auf der myBuddy-Plattform ist kostenlos – und auch das Match-Making kostet nichts. Man kann sogar Freikarten für Events gewinnen. Wie finanziert ihr euch?

Im Moment finanzieren wir uns vor allem mit ganz, ganz viel Überzeugung für die Sache. Unsere Plattform haben wir durch Crowdfunding finanziert und alle bei myBuddy arbeiten ehrenamtlich.

Wie wollt ihr euch in Zukunft finanzieren?

Wir haben es mit den klassischen Herausforderungen im Sozialsektor zu tun: Die, die unsere Angebote in Anspruch nehmen, können nicht dafür zahlen oder haben keinen Anreiz dafür zu zahlen. Trotzdem ist es so wichtig, Angebote wie myBuddy zu haben. Das Zusammenwachsen der Gesellschaft ist ein gesellschaftliches Thema, dass alle betrifft und muss somit eigentlich auch von allen – also durch den Staat – bezahlt werden. Aber die Prozesse bei der Fördermittelvergabe sind leider sehr langwierig. Um nicht darauf zu warten und Däumchen zu drehen, haben wir im Dezember 2020 beispielsweise einen eigenen sozialen Adventskalender entworfen und auf den Markt gebracht.

Das war aber kein gewöhnlicher Adventskalender. Erzähl‘ doch mal!

Die Idee war unter dem Motto „Kleinigkeiten, die verbinden“ mit 24 Süßigkeiten aus aller Welt Lust auf neue Kulturen zu machen. Die Erlöse gehen zu 100% in die gemeinnützige myBuddy Arbeit. Wir haben dieses Jahr direkt aus dem Sprung als neue Social Brand und neues Produkt über eine Tonne Süßigkeiten verkauft und sind ganz schön stolz darauf. Nächstes Jahr möchten wir den Kalender noch stärker mit kultureller Bildung verknüpfen und sind hier bereits mit spannenden potentiellen Kooperationspartnern in Gespächen!

„Ich komme aus der Region und finde sie wunderbar. Nach der Schule wollte ich BWL studieren und Mannheim hat eine Top-Uni – also bin ich hier geblieben.“

Weihua Wang, Gründerin myBuddy

Du bist in der Welt rumgekommen, warst im Auslandssemester in den USA und als Jugenddelegierte des Europarats in Straßburg – was hat dich zurück nach Mannheim gebracht?

Ich komme aus der Region und finde sie wunderbar. Nach der Schule wollte ich BWL studieren und Mannheim hat eine Top-Uni, also bin ich hier geblieben – genauso wie die meisten aus meinem Abi-Jahrgang.

Mannheim ist eine Stadt, in der Menschen aus über 170 Nationen leben. Passt myBuddy auch deshalb so gut zu Mannheim?

Das ist sicher einer von vielen Aspekten, aber nicht das alleinige Kriterium für mich, in Mannheim zu bleiben. Migration ist in allen deutschen Städten ein Thema. Wir sind mit 21 Millionen Menschen aus über 190 Ländern einer der größten Einwanderungsländer der Welt. Deshalb ist unsere Arbeit auch so wichtig. Wir sind mehr als ein nettes Sozialprojekt. Wir machen Teambuilding für die Gesellschaft und das Zusammenwachsen zwischen allen Kulturen. Das wiederum ist die Basis zur Begegnung von allen anderen Herausforderungen unserer Zeit.

Wenn Du bei myBuddy mitmachst – was würdest Du mit Deinem Match in Mannheim gerne unternehmen?

Puh, es gibt viele coole Aktionen, die hier in Frage kommen. Im Idealfall gehen wir zu einer Aufführung im Nationaltheater Mannheim oder zu einem Eishockey-Spiel in der SAP Arena, dass sogar durch einen myBuddy Gutschein kostenlos ist. Denn auch hieran arbeiten wir – Kooperationspartner zu gewinnen, die uns kostenlose Aktivitäten für die myBuddy Community zur Verfügung stellen. Das stärkt nicht nur die Freundschaft, sondern ist auch ein wichtiger Teil der sozialen Teilhabe und kulturellen Bildung.

Was hat Dich bei myBuddy bisher am meisten herausgefordert?

Ich habe schnell gemerkt: Der Teufel steckt im Detail und ich habe den Aufwand immer deutlich unterschätzt. Das letzte Jahr war für mich extrem spannend, aber auch sehr arbeitsintensiv. Jeder Button auf der Online Plattform und jedes Wort kommt aus unserer Feder. Aber vielleicht lag die Arbeitsintensität auch an meinem hohen Qualitätsanspruch bei allem was wir tun. Ich bin nach meinem Studium zwei Jahre bei der Boston Consulting Group durch die Beraterschule gegangen und habe dadurch ein sehr geschultes Auge für Details entwickelt. Und mir war schon immer wichtig: Wenn ich etwas tue, dann will ich es auch richtig machen.

Auf deiner Webseite zitierst du Konfuzius: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern“ – was für Veränderungen plant Ihr bei myBuddy?

Gerade am Anfang einer Gründung muss man sich ständig verändern. Wir merken gerade, dass unsere kostenlosen Programme und Tools die wachsenden Strukturen nicht mehr richtig abbilden können – egal ob wir von Team-Management, Rechnungsstellung oder Kontaktmanagement sprechen. Das kommende Jahr wird bei myBuddy auf jeden Fall sehr spannend. Wir möchten unseren Kalender skalieren und sind hierfür auch schon in vielversprechenden Kooperationsgesprächen. Außerdem haben wir gerade eine Kooperation mit der Stadt Heilbronn abgeschlossen und werden dort gemeinsam eine lokale myBuddy Friendship Runde starten. Wir werden in absehbarer Zeit auch unseren ersten Hauptamtlichen einstellen und es läuft nebenbei noch ein BAMF Antrag für ein neues Matching Programm. Vieles ist gerade am Entstehen, aber noch nicht zu 100 Prozent spruchreif. Am besten folgt Ihr uns auf Instagram oder LinkedIn – wir haben auf jeden Fall Einiges vor.

www.my-buddy.org

Interview: Lena Fiedler / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel